Le sacre du printemps

Das Ballett le sacre du printemps gilt inzwischen als musikalisches Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts. Die modernen Aufführungen erfreuen sich stets einer sehr großen Beliebtheit, und stellen für viele Besucher das absolute Highlight dar. Doch dies war nicht immer so. Bereits im Jahr der Uraufführung war das Publikum geradezu aufgebracht, was an den vielen dissonanten Tönen und scharfen Einschüben lag. Le sacre du printemps gehört zu den drei großen Ballettmusiken, die der Komponist Igor Strawinsky kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs im Jahr 1913 verfasst hat.

Die Handlung ist im Grunde genommen sehr makaber, obwohl es Strawinsky schaffte, sie künstlerisch aufzuwerten. Le sacre du printemps lässt sich mit „Die Frühlingsweihe“ ins Deutsche übersetzen. Das Stück handelt von einem sogenannte Frühlingsopfer, welches im heidnischen Russland tatsächlich sehr verbreitet war. Dabei treffen sich verschiedene Stämme, um dem Frühlingsgott jedes Jahr eine Jungfrau zu opfern. Im ersten Teil bezieht sich das Stück in weiten Teilen auf die Zusammenkunft der verschiedenen Stämme, sowie die daraus entstehenden Meinungsverschiedenheiten, welche sehr plastisch dargestellt werden. Erst im zweiten Teil fokussiert sich das Stück auf das persönliche Schicksal der zum Opfer bestimmten Jungfrau. Diese wird zuerst auserwählt, und beginnt dann ihren vernichtenden Tanz, ein Ritual, welches den selbst gewollten Tod herbeiführen soll. Die Musik setzt ruhig ein, doch bereits während der erste Takte fällt der betonte Einsatz der Pauken auf, welcher eine düstere Atmosphäre schafft. Der Tanz der Jungfrau wird währenddessen immer extatischer, begleitet von lang anhaltenden und sich immer wieder übertreffenden Crescendi des Orchesters. Plötzlich scheint das Orchester, wie auch die Jungfrau, etwas zusammenzusacken, bis sich eine ähnliche Melodik schließlich einen Halbtonschritt tiefer wieder fortsetzt. Das Schauspiel setzt sich fort, die klangliche Atmosphäre wird dabei immer düsterer und düsterer. Schließlich steigert das Orchester die Spannung durch eine starke Ausdünnung der Klänge, bis das Stück mit einem Tutti Schlag aufgelöst wird. In diesem Moment bricht das Mädchen aus der Dynamik heraus tot zusammen.

Bereits vor der eigentlichen Uraufführung am 29. Mai 1913 glaubten viele, dass dies in einem Skandal münden würde. Bereits bei der Generalprobe des Stücks befürchteten die Journalisten, dass sich das Pariser Publikum verspottet fühlen würde. Tatsächlich gab es vom ersten Ton an starkes Gelächter, auch eine anhaltende Unruhe im Publikum sorgte beinahe für den Abbruch der Aufführung.

Die anfänglichen Unruhen legten sich, und le sacre du printemps wurde zu einer der bedeutendsten Ballettmusiken überhaupt. Im Jahr 2013 wurde am 29. Mai das 100-jährige Jubiläum der Uraufführung gefeiert, dieses mal ohne jegliches Gelächter. Gerade dieser gewandelte Charakter des Stücks macht es zu etwas ganz besonderem.